Wie erklärst du jemandem, dass du mit deiner Kaffeetasse sprichst?

Autor Nicolas spricht in seinem Beitrag über die heilende Wirkung von Selbstgesprächen und weshalb du dich dabei manchmal schon fast als KITA-Betreuer:in fühlst.

Wie oft schon, ist es mir so ergangen, dass ich mich habe hören sagen «doch, das hat sich jetzt gleichwohl sehr gelohnt» oder «nun bin ich aber froh, dass ich mich überwinden konnte».
In meiner doch schon bald beachtlichen Karriere als «Coachee», also in der Rolle von dem, der sich coachen lässt, wurde mir bereits mehrmals ein meiner Meinung nach sehr effektives Instrument zum Selbstmanagement vorgestellt. Gerne möchte ich dieses hier mit dir teilen.

Die Arbeit mit dem Kleinen-Du

Es handelt sich dabei ursprünglich um ein Modell der Psychotherapie und wird vermehrt «Inneres Kind» genannt. Vereinfacht gesagt kannst du dir vorstellen, dass in dir drin nicht nur Du als erwachsene Person lebst, sondern auch Du als kleines Kind.
Warum lebe ich denn als Kind in mir? Das ist sehr sinnbildlich gesprochen, aber um die Methode richtig anwenden zu können, finde ich es ein sehr starkes Bild. Als Baby, Kleinkind, Kind und Teenager werden wir als Menschen wohl am stärksten geprägt. Es ist die Zeit des Lernens und Verstehens, du machst dir dein eigenes Bild vom Leben. Zu Beginn wirst du ganz eng von deinen Eltern begleitet. Sie sagen dir tagtäglich mehrmals was man darf und was nicht, wovor du aufpassen musst, was gut und was schlecht ist. Sie nehmen dich mit in die Natur, zeigen dir den Umgang mit anderen Menschen. Sie drücken dich oder schimpfen mit dir. Danach folgen Freunde und Lehrpersonen, die ergänzend eine ähnliche Rolle einnehmen. Auch sie prägen stark, wie du das Leben sehen kannst. Sicherlich wird es danach auch viele andere Personen geben, die einen starken Einfluss auf dich haben. Jedoch wird die Entwicklung deiner Persönlichkeit bereits so weit fortgeschritten sein, dass die Wirkung meistens weniger gross ist. Auch unabhängig von Rollen und Menschen wirst du in deiner Kindes- und Teenagerzeit gewisse einschneidende Erfahrungen machen. Es kann sein, dass du etwas erreichst, wofür du ganz allein, ganz fest gearbeitet hast. Es kann aber auch sein, dass du extrem enttäuscht und verletzt wirst, weil etwas nicht so kommt wie du es dir gewünscht hast. Zusammen mit deiner genetischen Grundlage schaffen all diese Einflüsse nicht nur einen Grossteil deiner Persönlichkeit und deinem Wertesystem, sondern definieren auch Glaubensätze, Bedürfnisse und gegebenenfalls auch Ängste, die du im Leben hast.

Mit Selbstgespräch zur Transformation

Evtl. bist du jetzt bereits mit deinen Gedanken in deine Kindheit abgeschweift und hast dir überlegt, wer und was – und in welcher Form – dich als Kind geprägt hat. Und genau darum geht es bei dem eingangs erwähnten Ansatz. Stell' dir dein «inneres Kind» vor, z.B. im zarten Alter von 12 Jahren, mit alldem was neu ist, was unverständlich, fies und gemein ist, was enttäuscht und was unsicher oder sogar Angst macht. Du kannst stark davon ausgehen, dass genau dieses Kind immer noch zu beachtlichen Teilen in dir lebt und nach wie vor seine Bedürfnisse, Unsicherheiten, Ängste ausleben will und muss; all dies passiert unbewusst in dir drin.

Somit ist auch schnell einmal klar, dass die beiden Personen in dir – der erwachsene Teil und das Kind – sicherlich nicht immer der gleichen Meinung sind und sich womöglich widersprechen und streiten. So kann es gut sein, dass das du als erwachsene Person eigentlich gerne neue Menschen kennenlernen möchtest, dein inneres Kind aber sagt «Nein, ich will das nicht, ich habe Angst», weil es vielleicht einmal bei einem Kontaktversuch schlechte Erfahrungen gemacht hat. Oder es sagt: «Es gehört sich nicht, fremde Menschen anzusprechen», weil es diese Aussage mal von einer Bezugsperson gehört hat. Meistens ist das innere Kind in diesen Augenblicken aktiv, in welchen du dir selbst oder auch anderen nicht erklären kannst, warum du dich jetzt gerade so verhältst.
Wenn du jedoch lernst, solche Augenblicke (früh) in deinem Leben zu erkennen, bist du bereits ein gutes Stück weiter. Dann kannst du dir nämlich dein inneres Kind vorstellen und mit ihm die Situation bereden. Du kannst ihm auch einen Namen geben, z.B. deinen «Kosenamen» als Kind und mit ihm in direkter Ansprache ein Gespräch beginnen.

Das klingt jetzt vielleicht etwas abgefahren, aber es wirkt tatsächlich. Denn ein Kind, bzw. eben deine eigenen Gefühle, wollen eigentlich nur gehört, beachtet und verstanden werden. Im Anschluss kann es dir dann auch viel einfacher gelingen, deine Glaubensätze, deine Ängste, etc. zu verändern. Konkret könntest du dem Kind z.B. sagen: «Hallo Mäxchen, ich höre und verstehe dich. Ich weiss genau, wie traurig es dich machte, als dein Kontaktversuch damals in den Sommerferien abgeblockt wurde. Ich, Max, bin jedoch jetzt erwachsen und stärker. Du musst keine Angst haben, ich nehme dich an der Hand und wir machen das zusammen nochmal; es kommt gut».

Und so kannst du, indem du dich als Erwachsener bildlich von deinem inneren Kind trennst, dich und deine Handlungen viel besser verstehen und dich nachhaltig und in deinem Sinne (als Erwachsene:r) weiterentwickeln.
Pass nur auf, dass du dich bei den Selbstgesprächen mit Klein-Max & Co. nicht erwischen lässt! Glaub mir, es ist ziemlich schwierig jemandem zu erklären, warum du gerade mit der Kaffeemaschine gesprochen hast.

Autor: Nicolas Fotsch, dreambuddy.ch