Wertfrei reflektieren

Wie zwei simple Fragen und ein Perspektivenwechsel es schaffen, alles zu relativieren und mehr Dankbarkeit in dein Leben bringen.


Ich möchte dir heute zwei Fragen stellen. Beantworte sie intuitiv, ohne lange zu überlegen:

  • Für was bist du jetzt, genau in diesem Moment dankbar?
  • Auf was in deinem Leben hättest du verzichten können?

Schau dir die Antworten beider Fragen an und vergleiche sie. Sind es ähnliche Themen? Oder weichen sie voneinander ab?

Manchmal scheint das Gute und das Unangenehme sehr nah. Manchmal wie von zwei verschiedenen Planeten. Jedenfalls ist es immer persönlich und individuell. Vielleicht ist genau das, worauf du hättest verzichten können, bei jemand anderem ein Grund dankbar zu sein. Glaubst du nicht? Dann starten wir mal einen Versuch:

"Ich bin dankbar für die Sonne, den Sommer und die Freiheit, jetzt gerade draussen in der Natur diesen Text zu schreiben."

"Verzichten könnte ich auf die vielen Gedanken, die planlos in meinem Kopf herumirren und mich müde und energielos machen."


Nun lösen wir meine beide Antworten von deren Bewertung. Lassen sie einfach mal wertfrei stehen:

"Sonne, Sommer und die Freiheit draussen, in der Natur zu schreiben."

"Viele planlose Gedanken im Kopf, die Energie verbrauchen."

Klingt schon viel unspektakulärer.

Jetzt drehen wir die Wertung um:

"Ich bin dankbar für die vielen Gedanken, die planlos in meinem Kopf herumirren und mich müde und energielos machen. Die Gedanken beflügeln meine Kreativität. Kreativität braucht Energie. Das macht müde. Wenn ich müde bin, kann ich nachts besser schlafen und meine Gedanken im Traum weiter-spinnen. Es bleibt also spannend."

"Ich könnte verzichten auf die Sonne, den Sommer, die Freiheit einfach draussen zu sein und in der Natur am See zu schreiben. Ich könnte so viel mehr tun. Freiheit ist wertvoll und wundervoll kann aber auch überfordern. Ich fühle mich planlos und zu frei, habe zu viele Möglichkeiten."

Mir persönlich hilft es, den Blickwinkel durch wertfreie Reflektion und Umkehrung zu verändern. So kann ich auch unbequeme Themen mit Dankbarkeit annehmen. Es ist mein Weg, Dankbarkeit zu kultivieren, für das Leben, für alles was wir haben. Für alle Erfahrungen und alle Narben die wir teilweise davon tragen, um wertvolle und wichtige Erkenntnisse daraus zu ziehen.

Jede Erfahrung macht uns zu dem Menschen der wir sind, der wir werden und der wir sein dürfen. Es gehört alles dazu. Es soll alles Platz haben. Darum sind wir dankbar dafür und für alles was kommt. Entwickeln wir uns weiter auf dem grossen Spielplatz "Leben" und sagen DANKE für die Lernaufgaben. Danke für das Leben und Danke dir, lieber Leser, liebe Leserin für deine Offenheit gegenüber den zwei Fragen.

Autorin: Sabine Jaggi